Von Nicole Prestle und Daniela Hungbaur
Der Druck auf dem Augsburger Wohnungsmarkt nimmt zu: Die Mieten in der 300.000-Einwohner-Stadt werden nach Prognosen des Immobilienberatungsunternehmens Bulwiengesa bis zum Jahr 2029 um 3,7 Prozent steigen. Für eine gebrauchte Wohnung in mittlerer Lage könnten dann bis zu 15 Euro pro Quadratmeter fällig werden. Besonders hart trifft dies Menschen mit niedrigem Einkommen oder mit Brüchen im Lebenslauf. Für sie wird in Augsburg deshalb nun ein neues Wohnprojekt entstehen: Die Stiftung Kartei der Not plant bis Ende 2029 den Neubau eines Gebäudes mit bis zu 35 Wohnungen für Bedürftige.
Der Neubau entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft des Ellinor-Holland-Hauses. Dies ist eine ganz besondere soziale Einrichtung der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung. Sie bietet Bedürftigen, die aus eigener Kraft, aber mit pädagogischer Unterstützung eine Lebenskrise bewältigen wollen, für einen begrenzten Zeitraum ein Zuhause. Nebenan, auf einem Grundstück im Augsburger Textilviertel, das der Stiftung gehört, soll nun gebaut werden. Geplant sind etwa 35 barrierearme Wohnungen – kleine Appartements ebenso wie Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen für Familien. Unterkommen sollen dort Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind – sei es beispielsweise, weil sie aus gesundheitlichen Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben oder durch den Tod eines geliebten Menschen finanziell und psychisch in eine Krise geraten sind.
Das Prinzip funktioniert ähnlich wie das im Ellinor-Holland-Haus, das bereits vor knapp zehn Jahren eröffnet wurde. Doch während die Bewohnerinnen und Bewohner dort in der Regel nur bis zu drei Jahre bleiben können und mit einem pädagogischen Team zusammenarbeiten müssen, wird es im neuen Haus keine befristeten Mietverhältnisse geben. Die Unterstützung von geschultem Personal können die Bewohner annehmen, sie sind aber dazu nicht verpflichtet.
„Wir wollen als Stiftung Kartei der Not vor allem bezahlbaren Wohnraum für Menschen schaffen, die sich auf dem Mietmarkt sehr schwertun“, sagt Oliver Jaschek, Geschäftsführer der Stiftung Kartei der Not sowie der Ellinor-Holland-Haus gGmbH. Eine günstige Wohnung in Augsburg zu finden, sei für bedürftige Menschen oft ausgesprochen schwer, erklärt Jaschek weiter. „Das erleben wir Tag für Tag mit den Bewohnerinnen und Bewohnern im Ellinor-Holland-Haus. Gerade auch Alleinerziehende oder Menschen mit Migrationshintergrund, die mehrere Kinder haben, finden oft einfach nichts.“ Daher hat sich das Kuratorium entschlossen, wieder zu bauen. Rund 13 Millionen Euro aus dem Stiftungsvermögen sollen in das neue Bauprojekt fließen.
„Trotz dieser hohen Investitionskosten geht die unbürokratische und rasche Hilfe in Einzelfällen für Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, die das Gros der Stiftungsarbeit ausmacht, uneingeschränkt weiter“, versichert Jaschek. Das betont auch Ellinor Scherer, die Vorsitzende des Kuratoriums: „Mit dem Schaffen von neuem Wohnraum ergänzen wir neben den Einzelfallhilfen, den Projekthilfen sowie dem befristeten Wohnen im Ellinor-Holland-Haus unser Angebot und übernehmen gesellschaftliche Verantwortung für bedürftige Menschen und deren Familien in Augsburg und Umgebung.“ Die stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende, Alexandra Holland, sagt: „Ich freue mich, dass wir mit dem Neubau die Erfolgsgeschichte der Stiftung fortschreiben können.“
Seit der Eröffnung im Jahr 2016 wurden in den 28 Wohnungen im Ellinor-Holland-Haus über 200 Menschen bei ihrem Neustart begleitet. Es ist eine Gemeinschaft von Jung und Alt, die eint, dass alle einen oder mehrere Schicksalsschläge verarbeiten müssen, eine Gemeinschaft, die fördert, aber auch fordert. Angedacht ist, so Geschäftsführer Jaschek weiter, dass in dem Neubau auch Menschen, die vorher im Ellinor-Holland-Haus gelebt haben und im Anschluss keine Wohnung finden, dort eventuell einziehen können. „Wir schaffen aber vor allem Wohnraum für alle Bedürftigen im Verbreitungsgebiet der Augsburger Allgemeinen, ihrer Heimatzeitungen und der Allgäuer Zeitung.“ Baubeginn könnte, so Jaschek, 2027 sein. Mit einer Fertigstellung der Wohnungen sei 2029 oder 2030 zu rechnen. „Wir freuen uns wirklich sehr, dass unsere Stiftung, die heuer auf 60 Jahre zurückblicken kann, das soziale Netz mit einem Neubau noch dichter knüpfen wird.“
Weitere Informationen zur Arbeit der Stiftung online unter www.kartei-der-not.de
Einzelfallhilfen und Förderung von sozialen Projekten gehen trotz dieser Investition weiter.