Einfach aufstehen, nach draußen gehen und mit dem Fahrrad eine Runde drehen. Was für viele Fünfjährige ganz selbstverständlich ist, ist für Shany aus Kempten unmöglich. Aufgrund von Bewegungsstörungen mit Spastiken am ganzen Körper ist sie auf Hilfe angewiesen. Doch seit Kurzem dreht sie nun doch ihre Runden - dank des Engagements vieler Menschen, die Geld gespendet haben.
Shany lächele viel, sei ein fröhliches Kind, sagt ihre Mutter Fatemeh Esmaeilpour. Das bestätigt sich, wenn man die Familie in ihrer Wohnung im Stadtzentrum von Kempten besucht. Shany wirkt entspannt, während sie ihr Papa Hossein Abbasi Tabbar auf dem Wohnzimmerteppich sitzend im Arm hält. Immer wieder dreht sie den Kopf und strahlt ihren Papa an. Oder sie lächelt einfach unbeschwert in die Runde.
Unbeschwert ist der Alltag der Familie nicht. Beide Eltern haben Vollzeit-Jobs, der Vater arbeitet Schicht, die Mutter macht nebenher eine Ausbildung zur Industriekauffrau. „Nach der Arbeit fängt unsere nächste Schicht an“, sagt sie. Denn dann fordert Shany die ganze Aufmerksamkeit ihrer Eltern.
Sie sei viel zu früh, in der 25. Schwangerschaftswoche, zur Welt gekommen, erzählt ihre Mutter. Doch sie sei gesund gewesen - einzig ihre Lungen waren noch nicht voll entwickelt. Dann fing sich Shany einen Virus ein. „Von einem Tag auf den anderen hat sich ihr Zustand verschlechtert.“
Weil es ihr an Sauerstoff mangelte, trug ihr Gehirn Schäden davon. Shany fällt es deshalb sehr schwer, ihren Körper kontrolliert zu bewegen, außerdem leidet sie an einer starken Epilepsie.
Trotzdem hat es Shany bis in den Kindergarten der Astrid-Lindgren-Schule in Kempten geschafft. Im Januar werde sie sechs Jahre alt, erzählt ihre Mutter. Vielleicht könne sie dann in die Grundschule wechseln. Am Gesichtsausdruck ihrer Tochter am Morgen könne sie sehen, dass sie gerne in den Kindergarten geht. Dort hat sie Freunde, es wird gebastelt, gespielt, gebacken.
Zuhause höre die Fünfjährige gerne Musik, erzählt ihre Mutter. Iranische oder deutsche Kinderlieder zum Beispiel. Dann bestehe Shany darauf, dass ihre Eltern mit ihr tanzen. Zeit zu dritt zu verbringen, sei Luxus, sagt Esmaeilpour. Entweder sei sie selbst oder ihr Mann bei der Arbeit. Das neue Fahrrad, das die Familie seit Kurzem besitzt, ist da ein Gewinn.
Shanys Rollstuhl kann an dem elektrischen Fahrrad befestigt werden. Auf diese Weise kommen ihre Eltern mit ihr in der Innenstadt bequem von A nach B. „Es hat mir immer ein schlechtes Gefühl gegeben, wenn ich Fahrrad gefahren bin“, erzählt ihre Mutter. Denn Shany wollte gerne mit, konnte aber nicht. Jetzt geht das. Und auch ihr Vater kann sie mit seinem Rad begleiten. Ausflüge sind so möglich, aber auch einfach die Fahrt zum Einkaufen.
Etwa 13.000 Euro hat das Rollstuhlfahrrad gekostet. Fatemeh Esmaeilpour wandte sich mit der Bitte um finanzielle Unterstützung an die Epilepsieberatungsstelle Schwaben-Allgäu. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass fast der gesamte Betrag übernommen wird. Möglich wurde das durch das Engagement von fünf Stiftungen, darunter auch die Kartei der Not, das Leserhilfswerk der Allgäuer Zeitung. Ebenfalls beteiligten sich die Marianne Strauß Stiftung, der Allgäuer Hilfsfonds, der Bunte Kreis Allgäu, die Kinderbrücke Allgäu und die Stiftung „Antenne Bayern hilft“. Alle sind bei ihrer Arbeit auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen.
Shanys Eltern schauen weiterhin zuversichtlich in die Zukunft. „Die Gesundheit unserer Tochter, dass sie unabhängig werden kann, ist unser größter Wunsch“, sagt ihre Mutter. „Wir verlieren nicht die Hoffnung“, sagt ihr Vater. „Irgendwann und irgendwo kommt ein Wunder, daran glauben wir.“
Text: Von Kerstin Futschik
Bild: Abbasi Tabbar