Die Lage spitzt sich immer weiter zu: „Gibt es ohnehin schon viel zu wenige Kurzzeitpflegeplätze für schwerstkranke und behinderte Kinder und Jugendliche, die zu Hause betreut werden, wurden die wenigen jetzt sogar noch weiter abgebaut“, sagt Angela Jerabeck. „Jetzt sind es nur noch neun in ganz Schwaben.“ Dabei wachse der Bedarf immer mehr, erklärt die Vorsitzende des Vereins „Dachskinder“, der sich um die Bedürfnisse von Familien mit chronisch schwer kranken und mehrfach behinderten Kindern kümmert. „Im Schnitt kommen zwei bis drei neue Familien im Monat zu uns, die dringend eine Entlastungshilfe brauchen.“ Um endlich mehr Kurzzeitpflegeplätze zu schaffen, soll nun der „Dachsbau“ entstehen, ein Neubau in unmittelbarer Nähe der Kinder- und Jugendklinik des Josefinums in Augsburg, deren Trägerin die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg ist. Der Bauantrag sei eingereicht worden.
Drei Frauen kämpfen seit Jahren für eine Entlastung
Wenn der „Dachsbau“ eröffnet, dann ist es der Erfolg von vielen Jahren zähen Ringens. Denn die beiden Vereinsgründerinnen und Vorsitzenden der „Dachskinder“, Angela Jerabeck und Angelika Brunner, setzen sich zusammen mit der Pflegedirektorin des Josefinums, Sabine Berninger, schon sehr lange für diese Einrichtung ein. Weiß doch auch Berninger, dass der Bedarf nicht nur schon jetzt sehr groß ist, sondern sogar steigt. Können doch dank des medizinischen Fortschritts immer mehr Kinder auch mit schweren Beeinträchtigungen leben. In Bayerisch-Schwaben haben ihrer Einschätzung nach etwa 6300 Kinder und Jugendliche eine anerkannte Schwerbehinderung, circa 1700 Kinder unter 15 Jahren seien pflegebedürftig. Und viele von ihnen werden zu Hause gepflegt.
Doch die Not der pflegenden Eltern ist oft groß, berichtet Jerabeck, eine gelernte Kinderkrankenschwester, die lange im ambulanten Pflegedienst gearbeitet hat. Es ist ein Kraftakt, der oft einen 24-stündigen Einsatz erfordert und nicht selten zur völligen körperlichen und psychischen Erschöpfung führe. Etwa ein Viertel der 91 Vereinsmitglieder der „Dachskinder“ sind alleinerziehende Mütter, sagt Jerabeck. Denn viele Ehen würden an der Dauerbelastung zerbrechen. Bei den Alleinerziehenden komme zu der Erschöpfung oft noch eine große finanzielle Not dazu, da ein Arbeiten neben der Pflege des behinderten Kindes und oft neben der Erziehung gesunder Geschwisterkinder einfach nicht mehr möglich sei.
Oft sind die Familien wegen der belastenden Pflegesituation völlig isoliert
„Das Schlimme ist ja, dass diese Eltern und alleinerziehenden Mütter auf keine Besserung des Gesundheitszustandes ihres kranken Kindes hoffen können“, sagt Jerabeck. Im Gegenteil: „Oft erleben sie immer mehr Rückschläge und müssen immer neue Operationen sowie immer neue Beeinträchtigungen mit ihren Kindern zusammen meistern.“ Nicht selten seien diese Familien aufgrund der belastenden Pflegesituation auch gesellschaftlich völlig isoliert. Zeit, aber auch Energie für Treffen und Veranstaltungen bleibe nicht. Eine kleine Auszeit von ein paar Tagen, um einmal wieder durchatmen zu können, sei daher so wichtig für diese Familien, betont Jerabeck. „Diese Eltern brauchen endlich eine Entlastung.“
Genau das will der „Dachsbau“ bieten, ein Zuhause auf Zeit für pflegebedürftige Kinder und Jugendliche. Eingebettet in eine bestehende Grünanlage mit viel altem Baumbestand zum Spielen und Erholen soll der zweigeschossige begrünte Flachbau auf einer Grundfläche von etwa 500 Quadratmetern in Augsburg-Oberhausen Platz für sechs Pflege- und zwei Notfallplätze haben. Im Erdgeschoss des mit bodentiefen Fenstern ausgestatteten Gebäudes sind Gemeinschaftsräume geplant, im Obergeschoss Schlafzimmer. Und der Bau ist nur wenige Gehminuten von der Kinder- und Jugendklinik des Josefinums entfernt, was wichtig ist, damit im Bedarfsfall auf die dortige Notfallmedizin zurückgegriffen werden kann, erklärt Pflegedirektorin Sabine Berninger. Schließlich müssten sich die Eltern darauf verlassen können, dass ihre Kinder bestmöglich versorgt sind. Um das zu gewährleisten, stünden Fachkräfte verschiedener pflegerischer und pädagogischer Expertisen im „Dachsbau“ zur Verfügung.
Und damit werde etwas angeboten, was ausgesprochen selten in Bayern zu finden sei: auch Kinder und Jugendliche, die beatmet werden müssen, werden dort pflegerisch und pädagogisch umsorgt. „Leider ist das Platzangebot in reinen Pflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen mit pädagogischer Ausrichtung für Kinder und Jugendliche sehr begrenzt, trotz des hohen Bedarfs. Der Dachsbau bietet eine Kombination aus pflegerischer und pädagogischer Unterstützung und Förderung vom Säugling bis zum jungen Erwachsenen. Das ist das Kernstück unserer Idee“, erklärt Berninger die Besonderheit der Einrichtung.
Auch der Bezirk Schwaben ist beim Dachsbau mit im Boot
So spricht auch die Bauherrin und Trägerin des Projekts, die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg, kurz KJF Augsburg, von einem herausragenden Projekt. „Mit einem Investitionsvolumen von rund 7,1 Millionen Euro zählt der Dachsbau zu den größeren aktuellen Bauprojekten der KJF Augsburg“, sagt KJF-Vorstandsvorsitzender Markus Mayer und ergänzt, dass darüber hinaus allein im Augsburger Stadtgebiet auch das 200-Millionen-Projekt zur Modernisierung der KJF-Klinik Josefinum weiter vorangetrieben werde. Damit der „Dachsbau“ aber realisiert werden kann, müssen, wie Mayer weiter ausführt, viele Unterstützer an einem Strang ziehen. Sein besonderer Dank gilt dem Bezirkstagspräsidenten Martin Sailer. Schließlich werde der Bezirk Schwaben nach der Inbetriebnahme des „Dachsbaus“ als Kostenträger zusammen mit den Pflegekassen für die Leistungen an den jungen Menschen aufkommen.
Auch die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung, hat dem „Dachsbau“ von Beginn an ihre Förderung zugesagt. „Diese Eltern sind in ständiger Sorge um ihr schwerstkrankes oder behindertes Kind, was sie täglich leisten, ist enorm“, sagt Ellinor Scherer, die Vorsitzende des Kuratoriums der Kartei der Not. „Ohne Erholungspausen kann das kein Mensch Jahre oder Jahrzehnte durchhalten. Daher war es für uns von Anfang an klar, dass wir dieses wichtige Projekt unterstützen werden.“ Ihre Stellvertreterin Alexandra Holland sagt: „Diese Kinder haben es doch schon schwer genug in ihrem Leben, sie und ihre Familien haben wirklich jede nur denkbare Hilfe verdient.“ Neben der Kartei der Not fördert nach Angaben der KJF Augsburg auch der Verein „Sternstunden“ das Projekt sowie das bayerische Gesundheitsministerium.
Kontakt: Weitere Informationen zu den „Dachskindern“ unter www.dachskinder-ev.de