Stolz sperrt Marion Köpf die Tür zu ihrem kleinen Reich auf. „So eine schöne Wohnung haben wir noch nie gehabt“, sagt Köpf und wie zum Beweis wird sie später jeden noch so kleine Brösel von ihrem weißen Esstisch fegen. Köpf und ihr Ehemann gehören zu den ersten Bewohnern der neuen Apartmentanlage der Caritas am Abbe-Pierre-Zentrum (ABZ), die am Freitag eingeweiht wurde. In dem Neubau sollen vor allem wohnungslose Menschen mit Alkohol- oder psychischen Problemen leben.
Die Köpfs bewohnen eine von zwei Wohnungen die für Paare vorgesehen sind. Zuvor mussten sie in getrennten Obdachlosenheimen leben. „Acht Monate hat er bei den Männern und ich bei den Frauen gewohnt“, sagt Marion Köpf. Doch nicht nur die räumliche Trennung machte den beiden zu schaffen, auch die Privatsphäre habe in den Mehrbettzimmern der Obdachlosenheime gefehlt. Hier ist es anders. Das Gute an der jetzigen Wohnung sei, „dass man einen eigenen Schlüssel zum Absperren hat“, schwärmt Marion Köpf.
Die eigene Verantwortung über die Wohnung ist laut Sozialarbeiter Rainer Heider zentraler Teil des Konzepts. „Es soll so normal wie möglich sein, dass ich meine eigenen vier Wände habe, in denen ich tun und lassen kann, was ich will.“ Vor allem diese „Wohnfähigkeit“ wollen Heider und seine Kollegin sicherstellen. „Da braucht es Vertrauen, wir gehen nicht in die Wohnung, außer die Bewohner bitten uns rein.“ Auf den Zimmern dürfe man auch Alkohol trinken, auf dem Gelände aber nicht, erklärt Heider die Regeln.
Vier der Bewohner seien auch schon im benachbarten Abbe-Pierre-Zentrum angebunden. In der dortigen Tagesstätte können alkohol- und psychisch kranke Menschen arbeiten, um wieder eine Struktur in ihren Alltag zu bekommen. Aktuell wohnen laut Haider acht Personen in dem neuen Haus, bis November wird sich das Wohnheim füllen. Bis zu 21 Menschen haben dort insgesamt Platz. Dass die Nachfrage nach solchen Angeboten immens sei, betonte auch Bürgermeisterin Martina Wild (Bündnis 90/Die Grünen). Die Zahl der Menschen ohne festen Wohnsitz sei gewachsen. „Das neue Wohnheim ist etwas, dass wir in der Stadt dringend brauchen.“
Die Stadt Augsburg und der Bezirk Schwaben finanzieren je zur Hälfte die Sozialarbeiter-Stelle, die sich Rainer Heider und seine Kollegin Anna Wirth teilen. Der Bau des Hauses hat laut Caritas-Geschäftsführer Walter Semsch insgesamt 3,7 Millionen Euro gekostet, „zwei Millionen kamen von der Diözese, der Rest wurde über Darlehen und Spendenmittel finanziert.“ Zu den größeren Spendern gehören die Obdachlosen Stiftung Bayern (50.000 Euro) und die Kartei der Not. Das Leserhilfswerk der Mediengruppe Pressedruck, die auch die Augsburger Allgemeine verlegt, hat mit 53.000 Euro die Ausstattung der Apartment-Küchen finanziert. „Uns ist es gerade wichtig, diejenigen zu unterstützen, die am wenigsten Chancen haben, es aus eigener Kraft zu schaffen“, sagt Geschäftsführer Arnd Hansen.
Wieder auf eigenen Beinen stehen, dieses Ziel nennt auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Jörg Durz (CSU, Augsburg Land) in seinem Grußwort. Darum seien die Mietverträge auch befristet. Sozialarbeiter Heider betont aber: „Wir werfen niemanden raus.“
Für die Bewohner und Bewohnerinnen liegt der Auszug noch in weiter Ferne. Gerade erst hat Bischof Bertram Meier ihr Haus „mit den herzlichen Grüßen des Papsts“ gesegnet, das vom Bischof gestiftete Holzkreuz hängt noch nicht einmal an der Wand. Für die Köpfs steht in den nächsten Tagen erst mal ein Gespräch in der Tagesstätte des Abbé-Pierre-Zentrums an. Vielleicht fangen auch sie dort bald an zu arbeiten.