Frau Scherer, Sie leiten zusammen mit Ihrer Schwester Alexandra Holland das Kuratorium der Kartei der Not. Ihre Mutter Ellinor Holland hat 1965 das Leserhilfswerk ins Leben gerufen. Die Corona-Pandemie war sicher eine neue Herausforderung für Ihre Stiftung oder?
Ellinor Scherer: Uns war von Beginn der Pandemie an klar, dass wir als sehr erfahrene Sozialeinrichtung jetzt in besonderem Maße gefordert sind. Denn gerade die Menschen, die ohnehin oft unsere Unterstützung brauchen, also Menschen in Armut, Kranke, aber auch Ältere, hat Corona oftmals in sehr große Not gestürzt. Und uns war sofort bewusst: Wir müssen vor allem auch schnell handeln.
Frau Holland, wie sahen die Corona-Hilfen der Kartei der Not denn konkret aus?
Alexandra Holland: Wir haben sehr schnell einen Sonderfonds eingerichtet. Und wir sind aktiv auf die Beratungsstellen in unserer Region zugegangen, um sie in ihrer wichtigen Arbeit gezielt zu unterstützen. Hier ist uns natürlich zu Gute gekommen, dass wir seit so vielen Jahren im ganzen Verbreitungsgebiet der Augsburger Allgemeinen und ihren Lokalredaktionen, aber auch der Allgäuer Zeitung bekannt sind und Kontakte zu den sozialen Einrichtungen pflegen. So ist es uns beispielsweise gelungen, dass bedürftige Menschen dank der Hilfe der Kartei der Not ganz formlos Notfallhilfen ausbezahlt bekamen, wenn ihnen das Geld für Dinge des täglichen Bedarfs fehlte, etwa für Nahrungsmittel oder Hygieneartikel.
Sie haben den engen Kontakt der Kartei der Not zu den sozialen Einrichtungen schon angesprochen, wie läuft die Unterstützung des Leserhilfswerks denn nun weiter?
Ellinor Scherer: Nach wie vor können sich Menschen aus unserer Region, die in Not geraten sind, an eine Beratungsstelle vor Ort wenden und diese wird einen Einzelantrag an uns richten, der dann schnell und unbürokratisch von uns beantwortet wird. Wir wollen dabei die enge Zusammenarbeit mit den sozialen Organisationen noch ausbauen. Es ist uns ein großes Anliegen, Projekte in der Region mit ins Leben zu rufen oder zu unterstützen, die helfen, dass Menschen, die in schweren Lebenssituationen stecken, nicht allein gelassen werden, sondern Hilfe erfahren. Wir haben ja auch selbst eine neue, erfolgreiche Einrichtung gegründet: unser Ellinor-Holland-Haus in Augsburg. Ein Haus, das nicht nur Menschen in schweren Lebenskrisen aufnimmt, sondern sie auch pädagogisch unterstützt…
Alexandra Holland: So ist es, das ist und bleibt unser Konzept: Menschen jeden Alters, Alleinstehenden ebenso wie Familien nicht nur für eine begrenzte Zeit ein schützendes Dach über dem Kopf zu bieten, sondern sie vor allem so zu stärken und zu unterstützen, dass sie baldmöglichst zu Kräften kommen und wieder selbstständig leben können. Das gelingt uns auch sehr gut und dies ist vor allem unserem hoch engagierten pädagogischen Team zu verdanken.
Viele Bewohner sind also schon wieder aus dem Ellinor-Holland-Haus ausgezogen?
Ellinor Scherer: Ja, wir könnten hier viele Erfolgsgeschichten erzählen. So haben in unserem Ellinor-Holland-Haus zuletzt etliche Bewohner ihre Berufsausbildung abgeschlossen, andere haben wieder einen Arbeitsplatz und vor allem eine eigene Wohnung gefunden. Gerade Letzteres wird immer schwieriger vor allem für Menschen mit kleinen Einkommen – den angespannten Wohnungsmarkt bekommen unsere Bewohner sehr zu spüren. Aber auch hier profitieren wir oft von der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im sozialen Bereich und dann öffnen sich zum großen Glück doch immer wieder im wahrsten Sinne des Wortes Wohnungstüren.
Das Interview ist ein Auszug aus unserem aktuellen Briefversand zu Weihnachten. Dieses können Sie hier in voller Länge lesen.